Magdeburg Moritzplatz von Offener Kanal Magdeburg e.V.

Der Offene Kanal Magdeburg unterstützt als freier Sender unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen bei der Produktion von Film- und TV-Beiträgen. Ziel ist es, für unterschiedliche Bevölkerungsschichten eine Öffentlichkeit herzustellen und so die lokale Partizipation zu stärken. Ausgezeichnet wurde das Projekt Magdeburg Moritzplatz – eine TV-Serie von und mit rund 80 jungen einheimischen Migrant:innen und Geflüchteten. Thematisiert werden die Folgen des Aufeinandertreffens von Kulturen und Subkulturen, der Verlust von Heimat, die Suche nach Orientierung und Identität.

„Das Projekt Magdeburg Moritzplatz verknüpft politische und künstlerische Arbeit in einem zeitgemäßen Format und spricht zudem ein breiteres Publikum an. Es blickt hinein in einen Mikrokosmos, der stellvertretend ist für viele andere Orte in Deutschland. Die Gestaltung der Erzählung ist daran ausgerichtet, die Beteiligten und ihre Lebensrealitäten mit einzubeziehen, sich auf Augenhöhe zu begegnen und damit neue Erzählperspektiven aufzubereiten, die es dringlichst braucht,“ sagt die Jury.

4. November 2019

Reportage über den Offenen Kanal Magdeburg.
Der freie Sender unterstützt unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen bei der Produktion von Film- und TV-Beiträgen.

Es sind nur 3,4 Kilometer, die sie voneinander trennen und doch sind es Welten, die zwischen dem Moritzplatz und der Olvenstedterstraße in Magdeburg liegen. Plattenbauten, Niedrigmieten, eine Nationalitätenvielfalt aus Rumänen, Polen, Deutschen und Syrern am Moritzplatz in der Neuen Neustadt. Ein gehobenes Wohnviertel mit guterhaltener Altbausubstanz an der Olvenstedterstraße im Bezirk Stadtfeld. Hier sitzt die Schaltzentrale des TV-Bürgersenders Offener Kanal Magdeburg. Derzeit laufen hier die Vorbereitungen zu der neuen TV-Serie Magdeburg Moritzplatz auf Hochtouren.

© Clemens Porikys
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TV für alle

Offene Kanäle sind niedrigschwellige und zugangsoffene TV-Sender für alle in einem meist regionalen oder lokalen Sendegebiet. „Jeder kann hier eigenverantwortlich berichten worüber er will“, erklärt Bettina Wiengarn, Geschäftsführerin des Senders. „Unseren Kanal gibt es seit 1994. Wir hatten großes Glück“, erzählt sie, „denn der damalige Direktor der Medienanstalt gehörte zu den Ideengebern für die Einrichtung Offene Kanäle in der Bundesrepublik und wollte nach der Wende in Sachsen-Anhalt auch unbedingt welche schaffen.“ Es klappte und Sachsen-Anhalt ging mit acht Offenen Kanälen und drei sogenannten nichtkommerziellen Radiosendern auf Sendung. „Bei uns steht Offenheit für Freiheit und daran halten wir fest“, sagt Bettina Wiengarn.

Drei Staffeln à vier Folgen beinhaltet die neue Serie des Senders, die sich mit der Lebenswelt der Jugendlichen vom Magdeburger Moritzplatz befasst. Susann Frömmer ist Filmemacherin, Medienpädagogin und Leiterin des Projekts: „Der Moritzplatz hat ein ganz eigenwilliges Gesicht“, erklärt sie. „Hier treffen viele unterschiedliche Kulturen mit unterschiedlichen Wertevorstellungen aufeinander, was in der Vergangenheit schon mal zu Schwierigkeiten und Spannungen geführt hat. In unserem Projekt wollen wir mit diesen Jugendlichen gemeinsam ein Drehbuch über die Herausforderungen erarbeiten, die es mit sich bringt, in diesem Stadtteil aufzuwachsen“.

© Clemens Porikys
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Missverständnisse

Der Zuzug von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund sorgt durch Sprachschwierigkeiten oft für Missverständnisse und Konflikte im Viertel. Arbeitslosigkeit lässt zudem das Leben der Menschen perspektivlos erscheinen. „In den 90er Jahren war Magdeburg das Chemnitz von heute. Es fanden Hetzjagden auf Ausländer statt und die Stadt brauchte lang, um sich von diesem Image zu befreien“, erzählt Bettina Wiengarn. „So etwas darf nie wieder passieren. Wir wollen an dem positiven Image unserer Stadt festhalten und mit unserer Serie dazu beitragen, dass Menschen immer wieder den Mut finden, respekt- und verständnisvoll aufeinander zuzugehen.“

Alle sollen mitmachen

Rund 300.000 Euro wird das dreijährige Projekt kosten, finanziert aus Fördergeldern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dem Fond Sozikultur und der The Power of the Arts Auszeichnung. 70 bis 80 Jugendliche, Rumänen, Syrer, Deutsche – alle Menschen vom Moritzplatz sollen mitmachen. Gemeinsam mit Susann Frömmer, dem Kameramann und Mediengestalter Patrick Jannack, dem Drehbuchautor Marco Gadge und freiwilligen Helfern, werden sie das Drehbuch zur Serie entwickeln. „Die Idee ist, die Erzählungen und Erfahrungen der Jugendlichen zu bündeln und daraus eine dramaturgisch spannende Geschichte zu stricken“, erzählt Susann Frömmer. „Wir werden keine Vorgaben machen.“

Die Ziele des Projektes sind vielfältig: einerseits ist da die künstlerisch-mediale Bildung, andererseits die Reflexion eigener und fremder Lebenswelten. „Die Teilnehmer sollen die Möglichkeit bekommen, selbständig über ihr Leben nachzudenken. Wir wollen ihre Empathie und ihr Selbstbewusstsein fördern“, sagt Susann Frömmer. „So lernen sie auch, dass ihre Lebenserfahrungen für andere spannend und interessant sind.“

© Clemens Porikys
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Für alle, für die Zukunft

Die Serie soll in allen rund 80 Bürgersendern der Republik laufen. Rund 200 000 Haushalte in Magdeburg und das nördliche Sachsen-Anhalt können den Sender über das normale Kabelnetz anschauen. 1000 Aufrufe kommen täglich über den Livestream im Internet dazu. Geschäftsführerin Bettina Wiengarn: „Wir rechnen mit einer hohen Zuschauerzahl. Allein über unseren YouTube Kanal erreichen wir mehr als 11.000 Abonnenten. Damit sind wir der reichweitenstärkste Offene Kanal in Deutschland.“

Unter dem Motto: Out of the void – Raus aus der Leere hat sich Magdeburg um den Titel Kulturhauptstadt Europas 2025 beworben. Damit beweist Magdeburg Mut, sich selbst zu hinterfragen und den Willen, etwas aus sich zu machen. Für alle, für die Zukunft.

© Clemens Porikys
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